Sinkende AHV-Renten gemessen am letzten Lohn
Die Popularität der AHV hat ihre guten Gründe. Sie arbeitet effizient und hat im Unterschied zur 2. Säule kaum Kapitalverluste zu verdauen.
Doch wie gut haben sich die Renten eigentlich entwickelt? Entscheidend für die Versicherten ist ja, wie viel Rente ich gemessen an meinem früheren Lohn-Einkommen erhalte. Die Bundesverfassung verspricht, dass AHV und 2. Säule zusammen die «Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung» garantieren sollen. In den vergangenen Jahren haben viele Pensionskassen ihre Renten für Neu-Pensionierte massiv gesenkt (Senkung des Umwandlungssatzes in Kassen mit überobligatorischen Leistungen).
Die AHV hingegen blieb stabil und konnte ihre Renten sogar noch an die Lohn- und Preisentwicklung abpassen.
Wie genau geschieht dies?
In der AHV sorgt der sogenannte «Mischindex» dafür, dass Aktive wie auch Personen im AHV-Alter noch vom Wirtschaftswachstum profitieren können. Alle zwei Jahre werden alle Renten an die Lohn- und Preis- Entwicklung angepasst. Der Begriff «Mischindex» bedeutet, dass die AHV-Renten je zur Hälfte an die beiden Indizes angepasst werden – es gilt das arithmetische Mittel.
Allerdings bedeutet der Mischindex auch, dass die Neurenten gemessen am letzten Lohn stetig etwas zurückfallen, denn die Neurenten werden eben nur zur Hälfte an die Löhne angepasst. Die Löhne stiegen in den letzten Jahren viel stärker als die Preise (Grafik). Ein Beispiel soll das erläutern: wären die AHV-Maximal-Renten ab 1980 nur an die Preisentwicklung angepasst worden, wären diese von 1100 Franken im Monat auf heute 2120 erhöht worden. Wären sie der Lohnentwicklung gefolgt, betrügen sie heute 2585 Franken im Monat. In Wirklichkeit liegen sie genau in der Mitte – bei 2350 Franken, und genauso wurden auch alle anderen Renten angepasst, die tiefer liegen als die Maximalrente.
Und weil die AHV-Renten nur zur Hälfte der Lohn-Entwicklung angepasst werden, sind die AHV-Renten gemessen am letzten Lohn seit 1980 um etwa 10% zurückgefallen (Durchschnitt). Erst recht haben sie nicht mitgehalten mit den Krankenversicherungs-Prämien, die sich in diesem Zeitraum vervielfacht haben. Deshalb gibt es für Personen im Alter mit zu wenig Einkommen auch noch die Ergänzungsleistungen, die zusammen mit der AHV das Existenzminimum gewährleisten sollen.
Der Rentenkompromiss der «Altersvorsorge 2020» erhöht alle AHV-Renten um 70 Franken im Monat, auch die kleinen Renten. Mit dieser Massnahme wird die bisherige Schwächung der AHV etwas korrigiert. Die Aufstockung dient auch der Kompensation von sinkenden Pensionskassen-Renten (tieferer Umwandlungssatz).
Allerdings erhalten nur die Neu Pensionierten den AHV-Zuschlag von 70 Franken. Und das ist auch richtig so, denn sie leiden – im Unterschied zu den bisherigen AHV-Rentnern – am meisten unter den Kürzungen der Pensionskassen.
Bezogen auf die Maximalrenten von derzeit 2350 CHF bedeuten die 70 Franken eine Aufwertung von 3 Prozent. Ein kleiner Betrag, aber wenn man wenig hat, ist er wichtig. Bezogen auf die AHV-Mindestrente sind es nämlich 6 Prozent mehr AHV. Der relative Rentenverlust durch den Mischindex seit 1980 (10 Prozent) und die Pensionskassen-Kürzungen werden mit der Rentenreform nur zum Teil ausgeglichen. Aber die Massnahme ist vertretbar. Denn heute verfügen viel mehr Erwerbstätige über eine 2. Säule (Pensionskasse) als noch vor 40 Jahren. Sie verfügen deshalb über eine bessere Altersvorsorge und dürfen sich während längerer Zeit einer Rente erfreuen, denn auch die Lebenserwartung ist gestiegen.
Die hohe Leistungsfähigkeit der AHV wird mit der Rentenreform somit zumindest teilweise wiederhergestellt. Diese Stärkung ist vernünftig. Denn die Pensionskassen wissen gar nicht wohin mit dem vielen Geld, das sie anlegen müssen. Sie leiden unter Anlagenot und tiefen Zinsen. Für Immobilien werden Phantasie-Preise bezahlt. Und ein Grossteil der Vermögen der Pensionskassen muss im Ausland angelegt werden, weil es in der Schweiz an Investitionsmöglichkeiten fehlt. Solche Ungleichgewichte sind ungesund, denn sie führen zu Verschuldung und Schuldenkrisen und senken das Wachstum.
Für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt dies nicht ohne Folgen. Die Einzahlungen in die Pensionskassen tragen fast keine Zinsen mehr. Die Effizienz der 2. Säule verschlechtert sich, denn die Verwaltungskosten liegen rund zehnmal höher als bei der AHV und verschlingen oft mehr Geld als die Zinsen einbringen.
Deshalb JA zum Rentenkompromiss:
- Sichere AHV-Renten bis 2030
- 70 Franken mehr AHV zur Kompensation des tieferen BVG-Umwandlungssatzes
- 0,6 zusätzliche MWSt-Prozente für die AHV, davon 0,3% von der IV
- Verbesserte Absicherung für Teilzeitbeschäftigte
- Rentenalter 65 für Mann und Frau
- Umwandlungssatz wird an tiefere Zinsen und Demographie angepasst
Dr. Rudolf Rechsteiner, Mitglied der Sozialpolitischen Kommission des Nationalrats 1999-2007