Die scheinheiligen Argumente von SVP und FDP
FDP und SVP haben im Nationalrat die Mehrheit. Sie bekämpfen die Altersvorsorge 2020 mit wirren Argumenten und gehen dabei ausgesprochen skrupellos vor. Zahlreiche Punkte, die sie gegen die Vorlage ins Feld führen, haben sie selber zu verantworten. Wer sich von einem Nein einen Nutzen verspricht, sollte sich die Argumente und das Verhalten von SVP und FDP besser genau anschauen. Sonst droht ein böses Erwachen.
Angriff auf die AHV-Renten
FDP und SVP beklagen: „Alte werden bestraft“ oder „Es gibt eine Zweiklassengesellschaft, da die 70 Franken AHV nur den NeurentnerInnen zugutekommt“.
Das hat zwei Gründe. Erstens, weil den bestehenden RentnerInnen der Besitzstand in der zweiten Säule garantiert wird. Sie müssen die Rentenausfälle bei den Pensionskassen nicht kompensieren. Und zweitens, weil SVP und FDP die Erhöhung für alle gebodigt haben. Der Vorschlag lag im Parlament auf dem Tisch. Sie haben ihn abgelehnt. Es ist sogar noch dreister: FDP und SVP wollten den AHV-Bezügern den Teuerungsausgleich wegnehmen. Nur schon deshalb ist es aus Sicht der Pensionierten brandgefährlich, Nein zu stimmen.
Angriff auf die Ergänzungsleistungen
Dieses Argument ist besonders übel: „Die ärmsten RentnerInnen haben von der AHV-Rentenerhöhung nichts, da sie ohnehin von EL abhängen, die dann entsprechend gekürzt würden“.
Warum sind viele Pensionierte heute auf Ergänzungsleistungen angewiesen? Weil FDP und SVP jede Verbesserung der AHV bekämpft haben. Früher konnte man von der AHV noch leben. Heute nicht mehr, obwohl die Bundesverfassung dies verlangt. Die Lebenshaltungskosten sind stärker gestiegen als die AHV-Renten. So wurden Menschen, die nur von der AHV leben, zu Bittstellenden gemacht. Für die Stimmbevölkerung ist wichtig zu wissen, dass SVP und FDP landauf landab Kürzungen der Ergänzungsleistungen verlangen. Umso wichtiger ist diese Reform. Denn mit ihr erhalten 98% aller, die auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, gleichviel oder mehr.
Die Erfindung der Dauerlösung
Die Gegner stellen neuerdings fest, dass „das Finanzierungsproblem der AHV mit der Reform nicht dauerhaft gelöst wird“.
Zum Glück nicht! Denn eine dauerhafte Lösung ist mit Sicherheit eine schlechte Lösung. Seit es die AHV gibt, wurde sie schon zehn Mal revidiert. Genau deshalb hat sie 70 Jahre lang einwandfrei funktioniert und die Altersarmut erfolgreich und demokratisch bekämpft. Die AHV ist ein Schweizerisches Erfolgsmodell. Ihre Finanzierung hängt von der Lohnsumme ab. Da wir die Löhne der Zukunft nicht kennen, ist es sinnvoll, die AHV alle 5 bis 10 Jahre zu justieren. Weil dies seit bald 20 Jahren nicht mehr geschah, geht der AHV das Geld aus. SVP und FDP haben im Parlament gezeigt, wie ihre „dauerhafte Lösung“ aussehen würde: Sie wollten eine kontinuierliche Anhebung des Rentenalters auf 67 und darüber hinaus. Das Rentenalter soll sich automatisch den Ausgaben anpassen, ohne dass sich das Volk dazu äussern kann.
Der Generationenkampf
Gegen diese Vorlage wird jedes Register gezogen. Sogar der bewährte Generationenvertrag wird angegriffen. „Der AHV-Ausbau findet zu Lasten der jungen Generation statt“, behaupten SVP und FDP. Die Jungen würden „verraten“.
Was sie offenbar nicht wissen: es war seit jeher das solidarische Grundprinzip der AHV, dass die Jungen bzw. Aktiven die AHV-Renten finanzieren. Und was sie nicht sagen: Der Plan B kostet die Jungen deutlich mehr. Denn auch junge Menschen müssen sicherstellen, dass sie im Alter von ihrer Vorsorge leben können. Wenn das nicht über Lohnbeiträge an die AHV geschieht, dann bleibt ihnen nur der Weg über freiwillige Beiträge an die Pensionskasse. Das wäre aber viel teurer. Gerade Junge müssten dann sehr tief in die Tasche greifen. Warum? Weil das Umlagemodell der AHV viel effizienter ist als das Sparmodell der Pensionskasse. Die zweite Säule verschlingt rund 5 Milliarden Verwaltungskosten jährlich, die AHV kostet bloss 0,2 Milliarden. Der SGB schätzt, dass Banken und Versicherungen mit unseren Pensionskassengeldern jedes Jahr mindestens eine Milliarde Gewinn machen. SVP und FDP verraten die Jungen, wenn sie sie dazu treiben, mit Lohnabzügen Bankengewinne zu finanzieren. Die Nein-Sager wissen, dass die erste Säule effizienter ist. Aber sie sagen es nicht. Denn sie vertreten im Parlament konsequent die Banken und Versicherungen und nicht den Mittelstand
Angstmacherei
Seit jeher haben die AHV-Gegner den Teufel an die Wand gemalt. Auch jetzt behaupten sie wieder: „2030 wird die AHV auch mit der Reform wieder in den roten Zahlen landen“.
Die FDP-nahe NZZ prophezeite sogar ein absurdes 800-Milliarden-Loch bis im Jahr 2100. Das hat System. Im Jahre 2000 prophezeite das Bundesamt für Sozialversicherungen der AHV ein Minus von 4 Milliarden Franken bis ins Jahr 2010, wohlgemerkt ohne Weltwirtschaftskrise. Auch bei den Prognosen von 2005 und 2009 lag man weit daneben. Da wir davon ausgehen dürfen, dass das BSV keine Dummköpfe beschäftigt, liegt der Schluss nahe, dass langfristige Prognosen zur AHV schwieriger aufzustellen sind als gemeinhin angenommen. Diesmal sind die Prognosen des Bundes weniger pessimistisch. Also haben die Gegner eigene Studien organisiert. Sie kommen, wen überrascht’s, von Banken und Versicherungen. Die Studie der UBS, die von der NZZ übernommen wurde, enthält dermassen grobe Fehler, dass sich der Absender lächerlich machte. Ehrlich wäre, wenn FDP und Co. zur Abwechslung mal zugeben würden: Sorry wir lagen falsch. Und noch ehrlicher wäre, wenn sie zugeben würden, dass nie eine Lösung unterstützt haben, die die AHV besser finanziert hätte als die vorliegende Reform.
Die Mär von der Überalterung
Zur Angstmacherei gehört auch die Behauptung, dass die AHV „nicht nachhaltig sei, da immer weniger Arbeitstätige immer mehr Pensionierte finanzieren müssen“.
Wenn das stimmen würde, wäre die AHV schon lange bankrott. Die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Pensionierten und Erwerbstätigen eröffnet uns nicht die ganze Wahrheit: Entscheidend ist die Entwicklung der wirtschaftlichen Produktivität und mit ihr der Löhne. Dadurch konnte die seit Einführung der AHV 1948 steigende Zahl der Rentnerinnen und Rentner gegenüber der Zahl der Erwerbstätigen mehr als nur kompensiert werden. In den 1950er bis 70er Jahren konnte die AHV trotz steigender Lebenserwartung ausgebaut werden. Umgekehrt heisst das aber auch, dass Lohnzurückhaltung die Altersvorsorge schwächt. Die „Babyboomer-Beule“ in der Demographie ist ein vorübergehendes Problem. Nach 2030 erreichen wieder geburtenschwächere Jahrgänge das Renteneintrittsalter.
Der Schein-Plan B
Schliesslich behaupten die Gegner, „ein NEIN zur AV 2020 mache den Weg frei für eine echte Reform“.
Sollte die AV 2020 abgelehnt werden, werden FDP und SVP die notwendige Sanierung der AHV nach ihrem Gusto durchsetzen, denn sie haben die Mehrheit im Nationalrat. Für all jene, die nicht zu den oberen 20 Prozent gehören, wird das dann richtig teuer. Denn die Renten werden sinken. Oder das Rentenalter massiv steigen, wie das der Arbeitgeberverband unmissverständlich gefordert hat. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen! Sichern wir mit einem doppelten JA am 24. September die AHV und unsere Renten für die nächsten Jahrzehnte.
Beat Jans, SP-Nationalrat